Möglichst lange und möglichst gesund leben - das will wohl jeder Mensch. Bis in die älteste Zeit reichen die Versuche zurück, entsprechende Verfahren, Prozeduren und Elixiere zu finden, um diesen Umstand zu erreichen. Und schon bald wurde ein wesentlicher Umstand erkannt: Körperliches und seelisches Wohlbefinden, die Harmonie aus Körper und Geist, ist die Vorraussetzung für langes und gesundes Leben.
Die Lebenskraft kommt aus der Harmonie.
Qi Gong ist eine sanfte Art der konzentrierten Bewegung, die diese lebendige Harmonie anregt und festigt. Wer regelmäßig Qi Gong übt, spürt, wie sich das Gefühl von Lebendigkeit (= Lebensenergie = Qi oder Chi) in seinem Körper ausbreitet. Die konzentrierte harmonische Bewegung wirkt wie ein Grundton, der den gesamten Menschen - seinen Körper und seine Seele - zum Mitschwingen bringt. Aus der Harmonie entspringt Lebensfreude, in der Harmonie findet man zu Ruhe und Entspannung, durch die Harmonie werden Körper und Geist gestärkt. So ist Harmonie die Basis für die Gesundheit.
Vollkommenheit von Herz und Seele stärkt den Körper und bewahrt die Gesundheit
Das Wort Qi Gong besteht aus zwei Begriffen: Qi ist die Lebenskraft, die Energie, und Gong das regelmäßige, ruhige und konzentrierte Üben, also die Beherrschung des Qi.
Die heutige Praxis des Qi Gong fußt auf Übungen, die bereits in den frühesten daoistischen und buddhistischen Lehren zu finden sind. Diese Erkenntnisse und Erfahrungen sind mit Sicherheit einige tausend Jahre alt.
Im Gegensatz zu Tai Chi oder Kung Fu lässt sich Qi Gong jedoch kaum auf eine einzelne Wurzel zurückführen. Einerseits ist der Begriff des Qi viel älter als die ältesten Quellen des Qi Gong; andererseits ist dieser Begriff sowohl im Buddhismus als auch im Daoismus und im Konfuzianismus von einer zentralen Bedeutung. Im Qi Gong harmonisieren die daoistischen Yin-Yang Lehre, die buddhistische Meditationsgrundlage und die konfuzianische Philosophie. (Und, so meine Meinung, auch als Christ kommt man mit dem Qi Gong nie in Konflikt mit den Worten von Jesus Christus. Ausgenommen die Grundlagen der Kampfkunst sind evtl. für extreme christliche Sekten problematisch.
Qi Gong stellt neben Akupunktur und Arzneimitteltherapie einen bedeutenden Zweig der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) dar. Die Konzepte der TCM, die auch der Akupunktur zugrunde liegen, finden sich in den Übungen des Qi Gong wieder. Auch in der westlichen Welt wird Qi Gong immer häufiger im Rahmen sowohl von Therapie wie auch von Gesundheitsvorsorge eingesetzt.
Der Anwendungsbereich von Qi Gong umfasst Gesundheitsbildung, Gesunderhaltung, Prävention, Therapie chronischer Erkrankungen, Linderung von Beschwerden, Rehabilitation, Schulung von Wahrnehmungs- und Konzentrationsfähigkeit, Bereicherung für die künstlerische Tätigkeit und Vorbereitung und Verbesserung der Kampftechniken (u. a. auch Tai Chi Chuan).
Aus der Lebenserfahrung wissen wir, dass Menschen unter außerordentlichen Bedingungen Energien mobilisieren können und Fähigkeiten zeigen, die Ihnen unter normalen Bedingungen nicht zu eigen sind. Dies zeigt, dass im Organismus große latente Energien stecken, die wir gar nicht in uns vermuten. Mit Qi Gong lassen sich latent vorhandene physiologische Energien allmählich mobilisieren und zur Entfaltung bringen.
Bekannt sind hier in Deutschland überwiegend nur einfache, langsame Bewegungen. Wiederum kann Qi Gong auch sehr schnell sein und große Bewegungen verursachen. In unseren Tai Chi Kindergruppen unterrichten wir die 8 Brokate athletische Variante. Die Bewegungen umfassen den vollen Bewegungsradius des menschlichen Körpers und sind teilweise so schnell, dass das menschliche Auge kaum folgen kann.
Im Allgemeinen jedoch haben alle Qi Gong Übungen haben folgende Merkmale:
· Der Übende steht aufrecht, mindestens ein Fuß hat Bodenkontakt
· Die Bewegungen sind langsam und fließend
· Die Atmung soll ruhig und gleichmäßig sein
· Die Vorstellungskraft wird mobilisiert
Die Langsamkeit ist zunächst das wichtigste Merkmal des Qi Gong. Ebenfalls wichtig ist die Vorstellungskraft. Es besteht nämlich die Gefahr, die Übungen, gerade wenn man ein wenig Routine in den Bewegungsabläufen erworben hat, rein mechanisch auszuführen. Der Übende konzentriert dabei seine Aufmerksamkeit auf bestimmte Teile des Körpers, auf bestimmte Richtungen oder imaginäre Gegenstände der Umgebung, oder er versucht, in der Fantasie anderen Lebewesen oder Raumdingen ähnlich zu werden.
Der untere Körperbereich sollte sich fest, verwurzelt und kraftvoll anfühlen, der obere locker, leicht und leer. Die innere Sammlung wendet sich in Qi Gong immer wieder zum Nabelbereich, dem Zentrum des Körpers. Man ruht im Dantian, "schaut" innerlich zu seiner Mitte, verankert sich dort, zentriert sich.
Qi Gong ist u. a. eine Entspannungs- und Kräftigungsgymnastik. Auf keinen Fall dürfen Sie über Ihre körperlichen Fähigkeiten hinaus trainieren, denn dann kann das Qi nicht strömen.
Solche Sätze führen oft dazu, Qi Gong in die Esoterik-Ecke zu schieben. Man muss es , für den Deutschen, anders formulieren:
Beim Sport belastet der Leistungsdruck, die Methoden des Trainierens über die Grenzen (Schmerzen) hinaus, Seele und Körper sehr. Man quält sich durch das Training, hinterher ist man matt und ausgemerzt. Der misshandelte Körper reagiert oft mit Verletzungen und immer wieder ist unser Bewegungsapparat krank (Humpeln, Gelenkschmerzen, Muskelverletzungen usw.). Anstatt uns nach der Arbeit zu Entspannen und loszulassen, machen wir mit uns dort weiter, wo unser Arbeitgeber zu Feierabend aufgehört hat. Leistung, weiter, noch weiter, mehr, noch mehr, höher usw. Wie soll da auf Dauer echte Lebensfreude (Lebensenergie - Qi) aufkommen? Das ganze Leben mit Vollgas auf der Überholspur. Da bekommt so mancher einen "Motorschaden". Das passiert natürlich nicht sofort. Irgendwann, meistens ab 35-40 Jahre, treten plötzlich "Krankheiten" auf, und keiner weiß woher die kommen, da es keine Krankheitserreger dafür gibt.
Die Ventile klappern, das Radlager rumort, die Verbrennung ist schlecht, die Lenkung hat Spiel usw. Für einen Kfz-Mechaniker eine klare Sache. Für unser "Krankheitssystem" (im Volksmund Gesundheitssystem genant) anscheinend nicht.
Beim Qi Gong werden alle "Antriebsteile" sanft eingefahren und geschmiert. Durch ruhiges und bedachten "Fahren" schlagen die "Lager" nicht so schnell aus. Verschleiß findet praktisch nicht statt. So haben wir lange was von unserem "Fahrzeug" (Körper).
Der Fahrer (Seele) ist ruhig und gelassen. Vorausschauend ordnet er sich dem "Verkehr (Leben?) ein, und kommt sicher und Unfallfrei ans Ziel (Gesundheit und langes Leben).
Qi Gong ist die Mutter aller chinesischen Bewegungsformen. Bevor die Kampfkünste entstanden, wurde Qi Gong auch zur Selbstverteidigung benutzt. Bitte lesen Sie dazu "Die 15 Ausdrucksformen des Taiji-Qigong". Ich bin einer der wenigen Qi Gong Lehrer der mit den Anwendungen des Qi Gong arbeitet. Einige Lehrer behaupten, Qi Gong wäre der "kleine Bruder" vom Tai Chi Chuan. Die Bewegungen seinen nur kleiner. Spätestens bei den Qi Gong Vorführungen der Shaolin-Mönche, sollte jedem Klar sein, dass das eine unqualifizierte Aussage ist, und mit dem Qi Gong Chinas nichts zu tun hat.